Wo sich Fuchs und Hase "Guten Morgen" sagen
Warum durch die halbe Welt fliegen, wenn solche Flüssen vor der Haustür liegen? Nachdem Petra und ich die Elbe in den vergangenen Jahren in zwei herbstlichen Etappen von Bad Schandau bis Magdeburg befahren hatten, setzen wir die Tour nun über Pfingsten fort. Der Wetterbericht sagte Gewitter, Sturm und Regen voraus und schon kurz nach dem Beladen bekommt er Recht. Doch je weiter uns das Auto Richtung Osten trägt, desto sonniger wird es. Da wir zum Glück schon Freitag früh starten können, ist die Autobahn frei und wir kommen schnell voran. Auf dem Gelände des gastfreundlichen KC Magdeburger Börde beladen wir unseren Zweier, dann beginnt für Petra das große Warten. Ich darf die schöne Landschaft schon mal vom Auto aus genießen. Unterwegs kann ich einige Rehe und vor allem Störche beobachten. Im Sportboothafen von Wittenberge finde ich einen guten Parkplatz und eile dann zum Bahnhof. Leider verpasse ich den direkten Zug nach Magdeburg um einige Minuten, so dass die Fahrt länger dauert als geplant. Erst um 16:30 können wir endlich einsteigen, nur um auf der anderen Seite des Flusses wieder auszusteigen. Der niedrige Wasserstand und die zunehmende Versandung des Altarms machen den Zugang vom KC zur Elbe nur noch treidelnd möglich. Dankbar genießen wir das kühlende Wasser an den Füßen. Gegen Abend hatte die Gewitterfront auch Magdeburg erreicht, so dass wir bei schwülen 30° gestartet sind. Mit dem prachtvollen Schauspiel einer schnell wachsenden Gewitterwolke über uns passieren wir den Domfelsen mit seiner Stromschnelle. Noch im Stadtgebiet von Magdeburg entdecken wir einen Hasen, der uns von einer Buhne aus neugierig beobachtet. Die Ufer sind beidseitig erfüllt von leuchtenden lila Blüten. Bei näherem Hinsehen wächst dort wilder Schnittlauch. Bis auf die Flussmitte können wir streckenweise den Duft wahrnehmen. Vor dem nun tiefgrauen Himmel kreist ein hungriger Milan auf der Suche nach Beute. Am Ufer treffen wir häufig auf Brandenten. Auch zahlreiche Graugänse laufen aufgeregt umher. Bewacht von den Altvögeln eilen junge Flauschknäuel ins schützende Gras, sobald sich unser Bug um eine Buhne schiebt. Nachdem ein Polizeiboot wieder einmal unseren DKV-Aufkleber überprüft hat (diesmal von weitem) suchen wir sorgfältig einen Platz zum Zelten. Wir müssen ja nicht auf den ersten Blick erkennbar sein. Während sich das Gewitter entlädt, harren wir unter einigen Uferbäumen aus. Wie gut, dass wir noch geschützt im Boot sitzen. Vor dem Zelt ist solch ein Schauer unangenehmer. Schließlich finden wir eine schöne Sandbank auf der unser Zelt und das Boot hinter hohem Gras verschwinden. Beim abendlichen Rotwein genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang, bevor wir früh in den zu warmen Schlafsäcken verschwinden.
Der zweite Tag beginnt mit leichtem Frühnebel und angenehm frischen Temperaturen. Wir kommen früh los und haben schon einige Kilometer geschafft, als die Sonne sich durchsetzt. Wieder wird es schwül-heiß. Keine Spur von dem angesagten Regenwetter. Uns soll es recht sein. Auf einer Buhne am linken Ufer erspähen wir an diesem Tag einen Fuchs. Eifrig sucht er das Ufer nach Fressbarem ab, Gänseküken vielleicht? Erst als er meine Kamera bemerkt, verdrückt er sich ins Gras. Wenig später begrüßt uns ein Seeadlerpaar. Immer wieder fliegen sie kurz auf, um sich ein paar hundert Meter weiter wieder niederzulassen. So nah bin ich selbst in Kanada selten heran gekommen. Gegen Mittag stören wir einen Biber, der sich von der Spitze einer Buhne ins Wasser gleiten lässt. Obwohl die Elbe auf der ganzen Strecke deutlich künstlich geführt wird, erleben wir Wild so dicht, als ob wir durch einen Zoo führen. Am Nachmittag lässt sich noch einmal ein Seeadler fotografieren. Wunderschön tauchen die Backsteinbauten von Tangermünde am linken Ufer auf. Kirche und Burg laden zu einem Verweilen ein. Eine Übernachtung beim örtlichen Kanuclub wäre möglich. Wir aber haben noch viel vor und fahren weiter. Auf dem Wasser sind wir fast allein. Nur selten begegnen wir einem Motorboot, das die Stille stört. Höchstens einmal pro Tag überholt uns tuckernd ein Schubverband, kaum schneller als wir. Andere Kanufahrer treffen wir gar nicht, die drängen sich wohl wieder alle auf der Mecklenburger Seenplatte. Die Strömung lässt auf diesem Abschnitt der Elbe deutlich nach. Mehrfach haben wir das Gefühl auf stehendem Wasser zu paddeln. Die geplante 60 Kilometer Etappe ist daher auch mit unserer schnellen Helmi-Baidarka recht lang. Am Nachmittag können wir wieder ein kurzes abkühlendes Gewitter unter Bäumen abwettern. Gegenüber von Dalchau finden wir wieder eine geeignete Sandbank für unser Zelt. Dankbar nehme ich ein abendliches Bad in der Elbe, um den Schweiß von der Haut zu spülen. Während des Abendessens können wir einen Fisch beobachten, der immer wieder eine große Flosse aus dem Wasser schiebt. Wir vermuten, dass dort gerade Laich abgelegt wurde, können aber nichts erkennen. Gerne würden wir die Szene unter Wasser ansehen können!
In der Nacht werden wir von einem heftigen Gewitter geweckt. Blitz und Donner folgen in raschem Wechsel. Kräftiger Regen testet die Dichtigkeit unseres lässig aufgestellten Zeltes. Alles bleibt trocken und wir bleiben am Morgen etwas länger liegen. Als ich dann hungrig aufstehe, fliegt gerade ein Eisvogel das Ufer ab. Der Regen hatte alle unsere Spuren vom Abend weggeschwemmt, die Sandbank sah wieder unbetreten aus. Der Fisch kreist immer noch über der selben Stelle. Als ich Tisch und Hocker aufstelle bölkt mich ein Rehbock an. Er hatte sich diese Ecke wohl als Tagesdeckung ausgesucht und ist sauer, dass er nun weichen muss. Kurz nach dem Start können wir ihn noch einmal am Ufer stehen sehen. Vielleicht hat er ja auch zurück gefunden. An diesem dritten Tag der Tour sind rechts und links mehrere Naturschutzgebiete ausgewiesen. Vom Boot ist allerdings nicht auszumachen, was diese von der restlichen Natur unterscheidet, zumal oft der Elberadweg hindurch führt, Häuser und Wohnwagen dort stehen und Angler das Ufer bevölkern. Vielleicht reicht es ja zum Schutz der Natur, wenn wir nicht aussteigen? Alle beschriebenen Tierbeobachtungen fanden jedenfalls außerhalb der Schutzgebiete statt. Auch auf dieser letzten Etappe sehen wir wieder Seeadler, einmal auch einen Fischadler und Graugänse mit ihrem Nachwuchs. Es scheint als hätten sie gut an dieses Brutgebiet gewöhnt. Im Herbst haben wir sie immer für durchziehende Gäste gehalten. Da uns die lange Strecke vom Vortag noch in den Knochen steckt, fahren wir deutlich langsamer und genießen den Anblick auf einzelne Bauernhäuser am Ufer, vor allem aber die wunderbare Stille und Einsamkeit dieses herrlichen Flusses. Als wir den Hafen von Wittenberge erreichen, kündigt sich von weitem das nächste Gewitter an, das uns aber erst erreicht als wir auf der Heimreise sind.