Weserfahrt mit Michael
12.08.- 17.08.2003
Am 12.8.2003 trafen wir nach 200 km Autofahrt bei brütender Hitze von weit über 30 C am Weserstein in Hannoversch Münden ein. Michael und ich wollten die Weser, den längsten auf seiner ganzen Länge deutschen Fluss, befahren.
Die Parkbäume spendeten am Einsatzort etwas Schatten, und so konnten wir unsere Kajaks, ohne viel Schweiß zu verlieren, mit den vielen Gepäckstücken für eine Großfahrt beladen. Erstaunt schauten wir uns in die Augen als wirklich alles in und auf den Booten verpackt war, und auch für uns noch Platz in der Sitzluke blieb.
Nachdem wir unseren Fahrer verabschiedet hatten, setzten wir kurz vor 12:00 Uhr in die Weser ein. Die schon Wochen anhaltende Hitzeperiode hatte den Wasserstand erheblich dezimiert, aber für unsere Kajaks reichte es allemal selbst mit der schweren Beladung.
So trieben wir bald auf dem sonnendurchfluteten Fluss durch eine Jahrhunderte alte Kultur-Landschaft, vorbei an alten Dörfern und Kirchen. Vaake, Hemeln, Glashütte blieben in der Ferne zurück. Bursfelde mit seiner Abtei aus dem 11. Jahrhundert lag hinter einem breiten Schilfgürtel am Ufer. Das Hugenottendorf Gottstreu und das alte Schifferdorf Oedelsheim mit ihren Fachwerkhäusern grüßten uns.
Die Stunden vergingen wie im Fluge. Michael kannte fast jedes Tier, Baum oder Pflanze und zitierte viele alte mir gar nicht bekannte Gedichte. Fast hätten wir unseren ersten Übernachtungsplatz auf dem Campingplatz von Gieselwerder verpasst. Wir waren schon vorbeigetrieben, - also einige hundert Meter stromauf paddeln, anlanden, einen Zeltplatz suchen und Zelte aufbauen.
Bald stehen unsere Zelte unter hohen schattenspendenden Bäumen. Abends Erfrischung im direkt neben dem Campingplatz gelegenem Freibad. Der Eintritt ist in dem niedrigen Übernachtungspreis sogar enthalten. Kristallklares blaues Wasser Erfrischung Ja, aber zu viel Chemie, meine Augen brannten von dem Chlor.
Am Ende einer warmen Nacht im Zelt, den Schlafsack habe ich nicht gebraucht, steigen wir nach Frühstück, Zeltabbau und Beladen der Boote in unsere Kajaks. Die Sonne scheint unverdrossen und es weht ein unangenehmer Gegenwind der Stärke 3 - 4, der zwar etwas Abkühlung bringt, aber auch das Paddeln erschwert.
An Lippoldsberg, Bodenfelde und Wahmbeck vorbei erreichen wir gegen Mittag Karlshafen und nach einer kurzen Pause geht es weiter an den Felspartien der "Hannoverschen Klippen" und dem Ort Herstelle vorbei bis zur trostlosen Kraftwerkruine Würgassen. Beim Zeltplatz des WSV Beverungen machten wir Mittagspause und stärkten uns im Bootshaus mit Schnitzel und Pommes.
Dann geht es die letzten 16 km an Wehrden und Fürstenberg vorbei zum Zeltplatz des WS Höxter. Bald standen unsere Zelte unter 2 Bäumen die weit und breit den einzigen Schatten spendeten. Es war Abends noch Zeit für einen schönen Spaziergang durch die historische Altstadt von Höxter.
Am nächsten Morgen hatte sich die Sonne verabschiedet und es wehte wieder ein starker Gegenwind. Jetzt waren Frühstück und Lagerabbau schon Routine und bald ging es weiter, behindert durch den böigen Wind, der uns zeitweise die Paddel aus den Händen reißen wollte. Es ging trotz der Strömung langsam voran Die weltberühmte Abtei Corvey konnte man durch die hohen Bäume vom Fluss aus nicht mehr sehen. Mir fiel auf, dass sich die Ufer der Weser seit meiner letzten Fahrt 1984 auf dieser Strecke erheblich verändert hatten. Die Bäume waren in den 19 Jahren natürlich erheblich gewachsen, aber auch die niedrige Ufervegetation war durch offensichtlich weniger Pflege in einen fast undurchdringlichen Streifen aus Brennnesseln und anderen Gewächsen verwildert.
Positiv sind die einheitlich gestalteten Schwimmstege für Bootfahrer an dem Fluss, die immer ein leichtes Aus und Einsteigen ermöglichen. Allerdings sind diese Normstege auch einem hohen Verschleiß durch Verfaulen des Holzbelages ausgesetzt.
Als wir in Holzminden ankamen, haben wir unsere Vorräte in dem nahe am Fluss gelegenem Einkaufscenter ergänzt. Dann ging es weiter an Heinsen, Polle und Brevörde vorbei bis zu der romantischen Steinmühle mit dem Senator Meier Denkmal oben auf den hochragenden Kalksteinklippen. Nach 41 km erreichten wir dann kurz vor Bodenwerder den gut ausgebauten Campingplatz "An der Himmelpforte". Hier passierte mir beim Zeltaufbau der Alptraum eines Kanuten. Mein Zelt wurde durch eine starke Windböe erfasst und landete nach kurzem Flug in der Weser. Da konnte man zwei aufgeregte Kanuten erleben. Michael sprang sofort hinterher aber die Strömung und der Wind waren schneller Erst als das Zelt langsam absoff und nur noch wenig aus den Fluten ragte, lief das Drama langsamer ab. Ich rannte nur mit Unterhose bekleidet am Ufer stromab, sprang dann erst in den Fluss und erreicht Michael und das Zelt. Aber wir wären bestimmt zu spät gekommen, wenn nicht einige junge Mädchen aus einer unterhalb von uns zeltenden Kanadiergruppe, blitzschnell reagiert und das Zelt im Fluss am Gestänge über Wasser gehalten hätten. So ging dieser Zwischenfall noch ohne Verlust gut aus. Die den eigentlichen Retterinnen gespendeten Euros für Eis waren jedenfalls gut angelegt. Das Zelt war wesentlich teurer.
Der 4. Tag unserer Wasserwanderung ging an Hameln vorbei bis zum Rintelner Kanuclub. Die Bootsgasse in Hameln mussten wir, durch den schon über ein Jahr dauernden Umbau des einzigen Wehres auf unserem Reiseweg, mit dem Bootswagen bei wieder tropischer Temperatur umkarren. Die weite Aussicht hinter Hameln auf Süntel die Schaumburg und die Paschenburg ließen schon wieder heimatliche Gefühle aufkommen. Diese Ecke des Weserberglandes war uns ausreichend bekannt. Nach einer ruhigen Nacht im Zelt ging es am nächsten Morgen immer noch bei strahlendem Sonnenschein weiter durch die jetzt weitläufige Wiesenlandschaft mit den Hügelketten in der Ferne. Zahlreiche Radfahrer begleiteten uns auf dem hier direkt an dem Fluss verlaufendem Weserradweg. Noch einmal traten die Berge des Wiehengebirges und des Wesergebirges dicht an den Fluss heran und wir paddeln durch die Porta Westfalica. Dann tauchen die Häuser und Straßen von Minden auf Vorbei an mehreren Bootshäusern gleiten wir auf dem sonnigen Fluss bis ans Ende von Minden zum Bootshaus des TV Jahn. Wir waren die einzigen Wasserwanderer und wurden wie überall freundlich aufgenommen.
Der letzte Tag unserer Fahrt begann wieder mit strahlendem Sonnenschein. Etwa 1 km nach dem Einsetzen bogen wir von der Weser links ab in den Kanal der zum Pumpwerk des Mittellandkanales führt. Direkt vor dem Pumpenhaus wieder einer der Schwimmstege zum Aussteigen. Hier spielen wir Gebirgsmarine. Der Transport unserer schweren Boote auf steilem Pfad zum Mittellandkanal forderte noch mal einige Schweißtropfen. Unser treuer Bootswagen ließ uns auch diesmal nicht im Stich.
Das Einsetzen in den Mittellandkanal ging reibungslos, aber als wir auf die Kanalbrücke über die Weser fuhren erwartete uns ein Schock. Der Wind hatte auf Ost gedreht und wehte nun direkt in unsere ratlosen Gesichter 36 km stehendes Wasser bei 36° C im Schatten und Gegenwind 3-4 lagen vor uns. Kanute schmiere deine Gelenke und verspeise Kraftriegel.
Die nun folgende Fahrt auf dem Kanal überraschte uns trotzdem positiv.
Landschaftlich hat diese Strecke auch ihre Reize, aber sportlich forderte sie einiges von uns ab. Der starke Schiffsverkehr zwingt besonders bei Gegenverkehr zu erhöhter Aufmerksamkeit mit manchem schnellen Stützschlag, wenn sich zwei Lastkähne begegnen und das Wasser plötzlich unter dem Kajak wegläuft. Viel Platz für uns bleibt auch nicht bei diesen Begegnungen und über die Böschungen rauschenden Wellenberge sehen auch nicht vertrauenerweckend aus.
Besonders kritisch waren die Strecken hinter Hiddenseerboom wo kilometerlange Spundwände die Bugwellen stark reflektieren und eine unangenehme Kreuzsee entstehen lassen.
Unsere Mittagspause machten wir diesmal am Anleger des Ruderclubs Nienbrügge neben einem Kompostwerk. Nun Ja, an den unangenehmen Modergeruch konnte ich mich nicht gewöhnen. Hier bestätigte sich wieder der Paragraph 2 der Kanutenverordnung der lautet: "Der nächste Lagerplatz ist immer der Bessere!" Den Paragraph 1 habe ich leider vergessen. Ich glaube er hieß: "Paddeln ist Quatsch!"
Frisch gestärkt mit schmerzendem Hinterteil ging es wieder in die Boote und bald tauchte, nach den Yachthafen Idensen, die von uns so ersehnte Brücke zwischen Haste und Wunstorf auf. Michael war sauer, weil die Brücke nicht wie ich ihm versprochen hatte bei Kanalkilometer 138 sondern bei 138,4 lag. Die letzten 400 Meter zogen sich unendlich lange hin. Der Rest war Spielerei. Aussteigen, Boote auf den Parkplatz bringen, Auspacken und auf unser Taxi warten. Wir hatten unterwegs Ina mit dem Handy angerufen und bald kam sie auch mit dem PKW angedüst.
Wir hatten es geschafft. In 6 Tagen 242 km bei meistens sengender Hitze und tageweise starkem Gegenwind in einer atemberaubenden Landschaft mitten in Deutschland. Ich habe viele unvergessliche Eindrücke gewonnen und drei Kilogramm abgenommen.
Für mich war das bestimmt nicht die letzte Weserfahrt.
Manfred Schürzeberg