Nach Kyrill
Grau | ||||||
Morgengrauen | Graumorgen | |||||
Grauhimmel | Grauwolken | |||||
Sturmwind | Windbruch | Bruchholz | ||||
Grauwasser | Stauwasser | Auewasser | ||||
Treibholz | Spritzschaum | |||||
Treibdosen | Spritzwasser | |||||
Treibflaschen | Treibschaum | |||||
Treibschmutz |
Es wehte stärker als vorhergesagt, doch das Einsteigen gelang unerwartet einfach: Die Hochwasser führende Leine bot uns eine völlig ruhige, kleine flache Bucht an, in der angespülter Schmutz träge stand und sich an die Boote klebte. Mühelos kamen wir in die Luken und konnten in aller Gelassenheit die Spritzdecken schließen.
Wir stießen uns ab. Manuela und ich in den handfesten PE-Einern von Prijon, Petra und Thomas im Baidarka-Zweier von Helmi ließen uns von der in der Mitte doch kräftigeren Strömung erfassen und begannen unsere Tagesfahrt nach Schwarmstedt.
Eigentlich hatten wir am Wochenende eine Gepäckfahrt auf der mittleren Leine von Freden nach Schulenburg mit Übernachtung in Brüggen vorgehabt, doch Kyrill mit seinen Folgen hatte uns davon abgebracht. So wählten wir für unsere Tagesfahrt ohne Gepäck die etwas mäßigere untere Leine, die zwar randvoll war, teilweise auch die niedrigeren Wiesen überschwemmt hielt, uns aber keine umgestürzten Bäume in den Weg legte.
Ich ließ mich etwas zu sorglos auf das Abenteuer ein: Schon nach kurzer Zeit wurde ich an einem Gleithang so weit an den Rand gedrückt, dass ich in flachem Wasser über einer Wiese manövrierunfähig fest lag. Bei der Entscheidung, ob ich lieber durch einen Brombeerstrauch oder durch einen Eisenpfahl gekippt werden wollte, hatte ich nicht auf die übrigen Widrigkeiten geachtet: Der Wind war viel kräftiger als erwartet und im Zusammenspiel mit Wirbeln und Wellen war er an diesem Tag ein Gegner, den ich unterschätzt hatte.
Ich mochte das Paddel nicht teilen, um mich nach der Methode "Nordic Paddeln" zu befreien - ohne einsatzbereites Doppelpaddel wäre ich sofort wieder dem Wind ausgesetzt gewesen. So half nur Geduld und starker Kraftaufwand, bis ich endlich wieder ins Fahrwasser gelangte. Von da an schmerzte schon das linke Ellenbogengelenk.
Die anderen hatten auf meinen Zuruf hin gewartet und wir - ich nun etwas vorsichtiger - setzten unsere Fahrt fort.
Ich fuhr als Letzter und behielt Manuela im Auge; ich hatte ein wenig Bedenken, ob sie als junge Anfängerin bei den heute erhöhten Anforderungen bestehen konnte.
Der Wind nahm stetig zu und hatte in Böen bestimmt mehr als Stärke 6. Wenn er von der Seite blies, mussten wir gut aufpassen nicht ans Leeufer gedrückt zu werden. Doch bald hatten wir `raus, wie wir die Boote wie Seilfähre vorwärts in den Wind drehen mussten, um ihm nie die ganze Seite zu bieten. Nur wenn er uns direkt von vorn oder von achtern kam, konnten wir die Boote parallel zur Leineströmung legen.
Doch dann war er zeitweise so stark, dass die leichteren und längeren Paddel flatterten und vibrierten, manchmal deutlich hörbar "sangen"! Jetzt bloß nicht zu hoch mit dem Paddelblatt!
Trotz der sich nach und nach bei uns einstellenden größeren Sicherheit im Umgang mit diesen doch ungewohnten Naturkräften erwischte es nun auch Manuela: Als sie nach einer Kurve nicht rechtzeitig genug den Vordersteven in die andere Richtung brachte, drehte die Strömung sie so, dass sie - genau wie ich vorher- ans Ufer gedrückt wurde, aber aus eigener Kraft nicht mehr frei kam. Ich bekam mein Boot nicht richtig zur Wende in den Griff, so dass Thomas zu Hilfe kommen musste. Aber auch er konnte von der Wasserseite aus nicht helfen, so dass er flussabwärts ausstieg, zurück lief und Manuela von Land aus wieder flott machte.
Ich wartete im Flachwasser auf einer überschwemmten Wiese. Weil ich unachtsam die Spritzdecke nicht kontrolliert hatte, merkte ich erst das überkommende Kabbelwasser, als ich schon nass war. Bis zur Pause nach Kilometer 20 musste ich es nun etwas kälter ertragen!
Gestärkt durch einen heißen Tee und eine kleine Brotzeit und mit neuer, trockener Hose ging es weiter. Wir hatten uns nach kurzer Beratung entschieden nicht abzubrechen, sondern wenigstens bis zur übernächsten Straßenbrücke bei Niederstöcken zu fahren. Alles andere wäre zu langwierig, um zu den Fahrzeugen zu trampen, aber auch der Temperaturen wegen für die Wartenden.
Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass sowohl Manuela als die Jüngste als auch ich als Ältester über genügend Kraftreserven und auch "Lust" verfügten, paddelten wir letztendlich dann doch bis Schwarmstedt durch, zumal wir mit fast 10 km/h bei dieser Strömung einen schnellen Verlauf hatten.
Vogelhimmel
Suchmilan | ||||
Kreisebussard | ||||
Torkelkormoran | Höckerschwanrauschen | |||
Graugänsemassenformation | ||||
Gänsesägerkettenstart | ||||
Krähenflattern | ||||
Graureihereleganz | ||||
Stockentenhektik |
Auch die Vögel beeindruckten heute: Gleich am Anfang ein aufgescheuchter Kormoran, der in einer Bö scheinbar abstürzen würde, so packte ihn der Wind nach dem Auffliegen. Dann irgendwann ein Flug von neun Höckerschwänen, die mit laut singendem Flügelschlag eine halbe Runde über uns drehten und sich dann, schneeweißer Kontrast vor der aufkommenden nächsten grauschwarzen Schauerwolke, majestätisch über uns erhoben.
Auf längeren Geraden, wenn der Wind von vorn kam, baute er gegen die Wasserströmung ordentliche Wellen auf. Dann machte es Spaß, mit Fahrt hinein zu schneiden. Thomas und ich riefen uns gut gelaunt zu: "Fast wie bei den Wattenmeerfahrten!" So hatten wir die Leine noch nicht erlebt!
Einmal noch hatten wir eine kleine Unterbrechung durch abermaligen Uferkontakt. Für kurze Zeit nahmen Thomas und Petra mit ihrem Dickschiff Manuela auf den Haken und schleppten sie kurze Zeit auf Kurs. Aber dann ging es wieder flott weiter, jeder für sich.
Für Manuela als "Neue" war es auch eine positive Erfahrung, dass mit Thomas immer jemand in der Nähe war, auf den sie sich verlassen konnte. Das ist ja auch ein Sinn unserer Gruppenfahrten neben dem sportlichen Aspekt: Erfahrungen weitergeben, einander in schwierigeren Situationen helfen, für einander da sein, ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen.
Von kleinen Schauern abgesehen wurde der Himmel zusehends blauer, die graue, durchgehende Wolkenmasse wurde nach und nach abgelöst durch lockere, auch schon mal weiße Wolken, die Sonne strahlte fast durchgängig während der letzten Stunde unserer Sturmfahrt, was auch die Stimmung spürbar beeinflusste.
Nach fünfstündiger Fahrt hatten wir die 40 Kilometer bis Schwarmstedt geschafft. Der Anleger im Hafen war nicht zu benutzen und so wuselten wir uns durch den angeschwemmten Dreck an Land. Nach dem Aufladen der Boote mit dann doch wieder sehr klammen Fingern gab es im Gleitzmobil heißen Tee und schmackhaften Thomaskuchen mit saftiger Brombeereinlage zum Abschluss dieses ereignisreichen Tages. Wir waren uns allerdings einig: Hätten wir vorher gewusst, dass wir solchem Starkwind ausgesetzt sein würden, wären wir nicht los gepaddelt. - Es war nicht so ganz ohne!
(Am nächsten Tag stand in der Zeitung etwas von Windgeschwindigkeiten von bis zu 78 km/h in der westlichen Region Hannover.)
Abendliche Heimfahrt
Starkwind zerrt an Boot
Und Wagen
Über der grauglänzenden Wasserfläche
Lehnt sich die Mondsichel gelassen
In ihren Schaukelstuhl zurück
Und blickt auf den Menschen,
Der angespannt
Ganz vorsichtig
Sein Gefährt
Auf Heimkurs steuert
Leider haben wir alle den Fotoapparat vergessen